Die Euphorie der guten Vorsätze ist verflogen – so klappt es trotzdem mit regelmässigem Training
Strategien aus dem sogenannten Rubikon-Modell helfen, die richtigen Trainingsmethoden zu finden und bei der Sache zu bleiben.
Es gibt viele Tipps und Ratgeber, die versprechen, sie würden zu mehr Bewegung und regelmässigem Training führen. Das Problem dieser Tipps: Sie wirken meist nur kurzfristig und setzen an einem einzelnen Moment des Trainings an. Das Rubikon-Modell geht in dieser Hinsicht weiter und bietet mehrere Möglichkeiten, sich bewusst gewissen Hindernissen zu stellen. Die deutschen Autoren Heinz Heckhausen und Peter Gollwitzer unterscheiden dabei vier Phasen: von der Zielauswahl über die Planung der Zielerreichung und die Durchführung bis zur Bewertung der Tätigkeit.
Das ergibt einen chronologischen Ablauf von Phasen, der mit gezielten Strategien zur Stärkung der Motivation zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung führt. Mit der Bewertung zum Schluss wird auch Einfluss auf die nächste Zielsetzung genommen. Also ein Zyklus, der sich wiederholt, etwa von Training zu Training oder von Wettkampf zu Wettkampf.
1. Phase: Überzeugt sein, was man will
In der ersten Phase geht es darum, sich mit den eigenen Wünschen und Absichten auseinanderzusetzen. Was will ich erreichen? Was sind Vor- und Nachteile? Vor allem zwei Aspekte sind dabei wichtig: erstens, ob die beabsichtigten Ziele den eigenen Werten, Vorlieben und Interessen entsprechen. Also die Frage nach dem Weshalb: Weshalb will ich überhaupt mit Krafttraining beginnen? Falls die Motivation vorwiegend auf Anraten des Arztes beruht oder einem Sparangebot der Krankenkasse, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass man über einen längeren Zeitraum ins Fitnesscenter geht, als wenn man überzeugt ist, dass Kraftübungen gesund sind, oder weil die Muskelübungen an sich Spass machen.
Der zweite Aspekt betrifft die Frage nach der Umsetzbarkeit: Habe ich ausreichend Wissen zum Vorhaben, etwa über die für mich passende Sportart oder die Ausführung? Joggen mit Kniebeschwerden oder Fussballtraining mit unregelmässigen Arbeitszeiten wie Schichtarbeit oder Auslandtätigkeiten wären nicht ideal. Besonders Anfängerinnen und Anfänger können von Expertenmeinungen profitieren, wenn es darum geht, realisierbare Ziele für sich zu setzen.
Ist ein Entschluss gefasst, kann es helfen, diese Absicht anderen mitzuteilen – das erhöht die Verpflichtung, die Absicht in die Tat umzusetzen. Das Modell der vier Handlungsphasen wird auch Rubikon-Modell genannt, um genau diesem Moment Wichtigkeit zu verleihen. Es geht geschichtlich ins Jahr 49 v. Chr. zurück, zum Konflikt zwischen Italien und der römischen Provinz Gallia cisalpina: Überschreitet Julius Cäsar mit seinen Soldaten den Fluss Rubikon, stehen sie im Bürgerkrieg mit Pompeius, es gibt kein Zurück mehr, sondern nur noch die Richtung nach vorne.
2. Phase: Planen – je konkreter, desto besser
Die zweite Phase steht für die konkrete Planung des beabsichtigen Vorhabens. Dafür sind Ziele und ausreichend Zwischenziele notwendig, welche spezifisch und realisierbar sein sowie eine gewisse zeitliche und inhaltliche Flexibilität mit sich bringen müssen. Erreichbare Ziele verstärken die Absichten und stärken die Selbstwirksamkeit. Zentral ist, dass die Zielrealisierung so konkret wie möglich geplant wird: wann, wo, wie, mit wem, mit was?
Ein Beispiel dafür könnte sein: Ich gehe jeden Dienstagabend um 18 Uhr zum Lauftreff. Sogenannte Handlungs- oder Ausführungspläne helfen, die geplante Handlung zu initiieren. Studien zeigen, dass, je konkreter die Pläne sind, desto eher und konsequenter werden sie verfolgt.
3. Phase: Handeln und die Kontrolle behalten
In der dritten Phase geht es um die Umsetzung der vorherigen Phasen und ums Dranbleiben. Wie schnell kann es doch passieren, dass man eine Trainingseinheit auslässt, weil man müde ist, einfach keinen guten Tag hat oder die kurzfristige Apéro-Einladung attraktiver scheint. Zu diesen internen Barrieren kommen externe Barrieren hinzu, wie zeitliche Engpässe, garstiges Wetter oder andere Ablenkungen.
Mit Strategien, welche die eigenen Handlungen kontrollieren, können auch diese Situationen besser gemeistert werden: Die persönlichen Barrieren müssen identifiziert werden, danach gilt es, den Plan anzupassen, etwa direkt nach der Arbeit zum Schwimmen gehen statt zuerst nach Hause oder sich von jemandem zum Training abholen lassen. Wenn-dann-Pläne können vor allem bei unregelmässigen Hindernissen helfen, etwa: Wenn ich am Dienstag nicht zum Lauftreff gehe, weil es geschneit hat, dann gehe ich stattdessen direkt nach der Arbeit für 60 Minuten ins Fitnessstudio.
4. Phase: Bewerten und durch positive Erfahrungen lernen
In der vierten Phase soll bewusst hingeschaut und das Erlebte bewertet werden. Wie gut ist es gelungen, die Pläne einzuhalten? Wie haben sich die Trainingseinheiten angefühlt? Es geht dabei nicht nur um eine Analyse, ob die Ziele erreicht wurden oder was es noch braucht zur Zielerreichung, sondern vor allem auch um eine Wertschätzung des Geleisteten, mit einem Fokus auf positive Erfahrungen und Erlebnisse. So könnte etwa das Wahrnehmen der beanspruchten Muskeln nach dem Training, ein Schulterklopfen unter der Dusche oder das bewusste Geniessen eines Getränks nach dem Training als Booster für die Motivation wirken.
Das Rubikon-Modell bietet nicht nur Strategien für Anfängerinnen und Anfänger im Sport, sondern auch für Routiniers, bei denen das Training längst zu einer Gewohnheit geworden ist. Zum Beispiel dann, wenn Ausdauerathleten ihr Training mit Kraftübungen oder Koordinationstraining komplettieren sollten, jedoch lieber ein paar Kilometer mehr abspulen, als sich Theraband und Gewichten zu widmen. Ausserdem hilft das Modell bei saison- oder wetterbedingten Veränderungen oder bei Übergängen wie Jetlag, Schichtwechseln oder Ferien.
Wer eine Wettkampfteilnahme beabsichtigt, braucht womöglich ein konsequenteres Training. Hier kann es helfen, das Ziel der Wettkampfteilnahme anderen mitzuteilen, um das Commitment zu verstärken. Und weil der Aufwand oder die Intensität des Trainings womöglich grösser sind als bisher, kann nebst einer genauen Planung der Trainingssequenzen auch das Vermeiden von Ablenkung und Hindernissen wichtig sein.
Strategien könnten sein, sich vorzustellen, wie das Ziel erreicht wird, wie sich das gut anfühlen wird. Oder man hält sich vor Augen, wie wohltuend die Dusche nach dem Training sein wird. Es geht also darum, die Aufmerksamkeit zu lenken und die Emotionen positiv zu beeinflussen. Zwischenziele und Erfolge sollten gefeiert werden, etwa indem auf dem Trainingsplan die geleisteten Einheiten mit einem Smiley angekreuzt werden. Oder man sich etwas gönnt, etwa ein Nachtessen im Restaurant. Und nach dem Wettkampf sollte dieser analysiert werden – mit Fokus auf das, was gelungen ist. Das kann für eine weitere Wettkampfteilnahme motivieren.
Kommentar schreiben